Visitor views walls full of names at Namenmonument Amsterdam
© Veerle Sloof

Freiheit in den Niederlanden

Im Leben, Denken und Handeln

80 Jahre Freiheit

Ein Leben in Freiheit

Ein freies Land

View on Erasmusbrug from Euromast

Im Jahr 2025 ist es genau 80 Jahre her, dass der Zweite Weltkrieg beendet wurde. Die Niederlande sind nun schon „ein ganzes Leben“ lang frei. Und das feiern wir, wann immer sich eine Gelegenheit dazu bietet! Doch was bedeutet Freiheit eigentlich und welchen Wert hat sie in den Niederlanden?

Der Zweite Weltkrieg hat in den Niederlanden ein Schlachtfeld hinterlassen. Unzählige Häuser, Fabriken und Gebäude wurden zerstört oder beschädigt. Die Stadt Rotterdam – heute eine der innovativsten Städte der Niederlande – wurde fast vollständig zerbombt. Überall im Land lagen Brücken, Straßen und Schienen in Trümmern. Mit vereinten Kräften wurden die Niederlande wiederaufgebaut. Stein für Stein und Stück für Stück… Die Menschen konnten es kaum erwarten, wieder in Freiheit zu leben!

Wusstest du, dass?

unser wichtigster Philosoph, Baruch Spinoza, in seinem Hauptwerk Ethica die Freiheit des Menschen erforscht hat? Diese Botschaft galt damals als revolutionär.

Umso unverständlicher ist es, dass die Niederlande 1945 als Reaktion auf die Unabhängigkeitserklärung Indonesiens selbst einen Krieg begannen! Ein Krieg, in dem – wie sich jetzt herausstellt – mit extremer Gewalt gegen die Republik Indonesien vorgegangen wurde. Das Indonesische Erinnerungszentrum (Indisch Herinneringscentrum) in Den Haag ist eine wichtige Anlaufstelle für alle, die sich für die gemeinsame Geschichte der Niederlande und Indonesiens interessieren, wobei der Schwerpunkt hauptsächlich auf der Zeit des Zweiten Weltkrieges und der Entkolonialisierung liegt.

Mirror room at exhibition Ons Land Indian Remembrance Centre

Frei und froh?

Mehr Wohlstand und mehr Freizeit: In den 60er und 70er Jahren wurde das Leben vieler Niederländer*innen durch Kühlschränke, Waschmaschinen und freie Samstage erleichtert. Mit der Einführung der Pille im Jahr 1963 erlangten niederländische Frauen auch sexuelle Freiheit und mehr Selbstbestimmung. Durch die „Entsäulung“ (die Überwindung der Grenzen zwischen weltanschaulichen Gesellschaftsgruppen), die zweite Welle der Emanzipation und zahlreiche Studentenproteste wurde das Freiheitsgefühl noch weiter verstärkt. Wie das neue Leben der Niederländer*innen aussah und bis heute aussieht erfährst du im Hof van Nederland in Dordrecht.

Museum Hof van Nederland Dordrecht

Mit dem Fall der Mauer und dem Zusammenbruch der Sowjetunion in den späten 1980er Jahren fiel auch in den Niederlanden die Bedrohung durch den Kalten Krieg weg. Die Menschen fühlten sich frei und erleichtert! Leider wurde die ausgelassene Stimmung zu Beginn des 21. Jahrhunderts durch die Auswirkungen der Terroranschläge in Amerika und Europa, durch die Migrations- und Klimakrise sowie die Ermordung eines niederländischen Politikers und eines niederländischen Journalisten deutlich getrübt.

Monument 'The Scream' is a work of art by Jeroen Henneman in Amsterdam

Freiheit und Verantwortung

Was Freiheit bedeutet, wurde uns zu Beginn der Pandemie im Jahr 2020 schmerzlich vor Augen geführt. Die Regierung sah sich gezwungen, diverse Maßnahmen zu ergreifen, die unser alltägliches Leben enorm einschränkten. Für die meisten Menschen war dieses Gefühl der fehlenden Bewegungsfreiheit vollkommen neu. Gleichzeitig offenbarte die Pandemie, auf welchem Fundament die Freiheit in den Niederlanden beruht – nämlich auf dem demokratischen Rechtsstaat.

Der Wille, die Freiheit auf der ganzen Welt zu schützen, ist durch instabile und sich verändernde Machtverhältnisse (in Europa) nur noch stärker geworden. Der Friedenspalast in Den Haag gilt als Symbol für unsere Werte, für Frieden und Gerechtigkeit. Wenn du dich für die Geschichte der Friedensbewegung interessierst, kannst du an einer Führung durch und um den Palast teilnehmen. Der Garten beherbergt viele internationale Kunstwerke, die etwas über die Bedeutung von Frieden und Freiheit aussagen.

Visitors wearing face mask during pandemic

Peace Palace The Hague

Die Geschichte der Freiheit

Rebellisch und tolerant

Die tapferen Bataver

Dem Bataver-Mythos zufolge stammen die Niederländer von den Batavern ab: einem einfachen, aber freiheitsliebenden Volk, das zu Beginn unserer Zeitrechnung tapfer gegen die Römer kämpfte. Obwohl historische Untersuchungen darauf hindeuten, dass die Bataver nie in den Niederlanden waren, scheinen wir stolz auf unsere batavischen „Wurzeln“ zu sein. Im 17. Jahrhundert wurde zum Beispiel ein wichtiges Schiff der Niederländischen Ostindien-Kompanie (VOC) nach unseren angeblichen Vorfahren benannt. Eine Nachbildung des Schiffes „De Batavia“ findest du im Batavialand in Lelystad.

Gezicht van Nijmegen

Wasser als Waffe

Noch prägender für das Selbstverständnis der Niederlande sind der Achtzigjährige Krieg sowie der Aufstand gegen die spanische Herrschaft. Um das Land vor feindlichen Angriffen zu schützen, wurden ganze Landstriche geflutet und unter Wasser gesetzt. In der Festungsstadt Bourtange bekommt man einen guten Eindruck davon, wie es gewesen sein muss, den Feind mithilfe des Wassers in die Flucht zu schlagen. Die niederländische Identität ist eng mit dieser Zeit verknüpft: wir waren eine freie Handelsnation mit einer toleranten Gesellschaft, die vielen Minderheiten und Freidenkern Zuflucht gewährte.

Der
Achtzigjährige Krieg dauerte von 1568 bis 1648.
Gentleman looks around in Zeeuws museum De Abdij Middelburg

Die Geschichte der Unfreiheit

Slavery Monument Rotterdam

Wenn es um die Geschichte der Freiheit geht, darf ein bestimmtes Kapitel nicht unerwähnt bleiben. Die Niederlande waren nicht immer so tolerant und offen, wie wir sie heute kennen. Es ist kein Geheimnis, dass die ehemalige Republik Menschen auf anderen Kontinenten unterdrückte und sie ihrer Freiheit beraubte. In der heutigen Zeit wird der gewaltsame Kolonialismus, dem wir uns schuldig gemacht haben, immer häufiger thematisiert und aufgearbeitet. Ein gutes Beispiel für diese Aufarbeitung ist das Nationale Sklaverei-Museum, das 2028 in Amsterdam eröffnet. Das Museum soll eine Brücke bauen, die aus unserer gemeinsamen Vergangenheit in eine gemeinsame Zukunft führt.

1848 erhielten die Niederlande ein neues Grundgesetz, verfasst von dem bedeutendsten Staatsmann des 19. Jahrhunderts: Johan Rudolf Thorbecke. Die Verfassung gilt als wichtiger Meilenstein für die Demokratisierung der Niederlande. Sie enthält das Recht auf Bildungsfreiheit, Pressefreiheit und Religionsfreiheit. Die Macht des Königs wurde eingeschränkt und die Rechte des Volkes gestärkt.

600.000 Afrikaner*innen wurden durch die Niederlande versklavt

Zweiter Weltkrieg

Die Niederlande während der Besatzung

Ein besetztes Land

Am 10. Mai 1940 überschritten deutsche Soldaten die niederländische Grenze. Kurze Zeit später bombardierten sie Rotterdam, worauf sich die niederländische Armee ergab. Die Niederlande wurden von den Deutschen besetzt! Was davor und danach passierte, erfährst du im niederländischen Kriegsmuseum Overloon. Wie kam es zu der Besatzung? Und wie ging die niederländische Bevölkerung mit den Einschränkungen des Krieges um? Tauche ein in die Geschichte und finde es heraus!

Overloon War Museum

Trotz der enormen Ablehnung gegenüber der deutschen Besatzung verhielten sich die meisten Niederländer*innen zu Beginn des Krieges zurückhaltend. Ab 1943 wuchs der Widerstand jedoch! Das Gefängnis von Scheveningen wurde hinter vorgehaltener Hand als Oranjehotel bezeichnet. Mehr als 25.000 Menschen waren hier während des Krieges inhaftiert, weil sie in den Augen der Besatzer etwas verbrochen hatten. Zu den Inhaftierten gehörten Widerstandskämpfer, Juden und Jüdinnen, Kommunisten, Zeugen Jehovas und Schwarzmarkthändler. Ein Besuch in diesem „Hotel“ führt einem vor Augen, wie zerbrechlich unsere Freiheit ist.

Oranjehotel Scheveningen

Gemeinsame Sache mit dem Feind

Camp Westerbork Assen lady looks at tram rails, terminus

Während der Besatzungszeit gab es auch Niederländer*innen, die freiwillig mit den Deutschen zusammenarbeiteten: sogenannte Kollaborateure. Sie halfen bei der Verfolgung von Juden und Jüdinnen, sie verrieten Untergetauchte und Widerstandsorganisationen oder schlossen sich der deutschen Armee an. Die NSB war eine niederländische Partei, die mit den Deutschen kollaborierte. Außerdem unterstützten ca. 25.000 Niederländer die Waffen-SS. Sie kämpften an der Seite der Deutschen für den Ausbau des Dritten Reiches.

Es ist erschütternd: Vor dem Zweiten Weltkrieg lebten Juden und Nicht-Juden miteinander und nebeneinander in einer Gemeinschaft. Während des Krieges wurden etwa 107.000 der 140.000 niederländischen Juden und Jüdinnen deportiert. Viele von ihnen landeten zunächst im dem niederländischen Lager Westerbork. Nur 5.200 von ihnen kehrten lebend zurück. Das Nationale Holocaust-Museum in Amsterdam beschäftigt sich mit der Judenverfolgung in den Niederlanden und gibt den Opfern ein Gesicht.

73% der niederländischen Juden haben den Holocaust nicht überlebt

Eine Brücke zu weit

Im September 1944 standen die Niederlande kurz vor der Befreiung, doch bei der Schlacht um Arnheim kam es zu einem großen Rückschlag für die Alliierten. Sie schafften es nicht, die strategisch gelegene John-Frost-Brücke einzunehmen, weshalb Arnheim erst im April 1945 befreit werden konnte. Noch heute kann man in Arnheim Spuren dieser Schlacht um Leben und Freiheit finden. Nicht nur in Museen, sondern auch in Form von Skulpturen und (Straßen-)Kunst.

Erinnern und Feiern

Das Vermächtnis des Krieges

Unsere kostbare Freiheit

Nach der Befreiung im Frühjahr 1945 waren die Niederlande wieder ein freies Land. Während sich die Bevölkerung langsam von den Geschehnissen erholte, war allen bewusst: Wir dürfen niemals vergessen, wie wichtig und wie kostbar unsere Freiheit ist.

Veteran looking at parachutists

In der hügeligen Landschaft rund um Groesbeek fanden vor der Befreiung zwei großangelegte Operationen der Alliierten statt: Market Garden und Veritable. Wenn du mehr über die Kriegsgeschichte erfahren möchtest, dann bist hier genau richtig!

Dilemma rooms at the Freedom Museum Groesbeek

Namen und Geschichten

Namenmonument Amsterdam hand against wall with names

Im Jahr 2021 wurde in Amsterdam (endlich!) das Nationale Holocaust-Denkmal eingeweiht, ein Labyrinth aus Backsteinen und Buchstaben. Auf den Steinen stehen die Namen der 102.000 getöteten Jüdinnen und Juden, die nie ein Grab erhalten haben. Jeder Stein ist ein Mensch mit einer eigenen Geschichte und mit einem eigenen Leben. Das Namensdenkmal füllt die leeren Seiten, die der Krieg hinterlassen hat.

Wusstest du, dass?

…das Namensdenkmal aus vier hebräischen Buchstaben besteht, die zusammen das Wort „Zikaron“ (Erinnerung) bilden?

Geschichten über Freiheit und Widerstand

Die Wander- und Radroute Liberation Route Europe verbindet Gedenkstätten in ganz Europa miteinander, darunter auch die Dauerausstellung „Kamp Vught: sieben Jahrzehnte und 32.000 Geschichten“, den Nationalen Ehrenfriedhof Loenen und den Amerikanischen Soldatenfriedhof Margraten. Hinter jedem Grab und hinter jedem Denkmal verbirgt sich eine bewegende Geschichte über den Krieg und die Freiheit.

Denn die Geschichten
bleiben.
Ereveld Loenen

Die Freiheit feiern!

Der 4. und 5. Mai sind bis heute zwei wichtige Gedenktage in den Niederlanden, an denen wir trauern, aber auch ausgelassen feiern. Die Befreiungsfestivals sind seit mehr als 30 Jahren ein Begriff in den Niederlanden. Jährlich finden mehr als 200 Aufführungen statt, die auf verschiedene Städte des Landes verteilt sind.

Vlissingen Liberation Festival

Die Bedeutung von Freiheit

Frei und ungezwungen

Fühl dich frei

Happy gay couple in Rotterdam

Freiheit kann viele Dinge bedeuten und viele Formen annehmen: vom Leben ohne Krieg und Gewalt bis hin zur Meinungsfreiheit. Sein zu dürfen, wer man ist, und sagen zu dürfen, was man denkt… das ist typisch niederländisch!

Die Pride-Parade in Amsterdam ist für viele queere Menschen aus dem In- und Ausland ein jährliches Highlight. 2026 ist die Hauptstadt der Niederlande sogar Austragungsort der „WorldPride“. Die Niederlande gehören seit vielen Jahren zu den LGBTQ+-freundlichsten Reisezielen der Welt. Egal ob Rotterdam, Utrecht, Eindhoven oder Groningen: die LGBTQ+-Community wird in vielen niederländischen Städten mit bunten Pride-Flaggen gefeiert.

Wusstest du, dass?

am 1. April 2001 in den Niederlanden die weltweit ersten gleichgeschlechtlichen Ehen geschlossen wurden?

Ein Land voller Migrations­geschichten

Sei es der kulturelle Hintergrund, das Geschlecht, die sexuelle Orientierung, die Familienzusammensetzung oder die individuelle Arbeitsleistung: Die Niederlande werden immer bunter und diverser. Fast 25 % der Niederländer*innen haben einen Migrationshintergrund. Im Jahr 2025 wird in Rotterdam FENIX eröffnet, ein kultureller Treffpunkt, der von Migrationsgeschichten aus aller Welt inspiriert ist.

Family walking in Mastbos Breda

Es geht
um Liebe und Abschied, ums Heimkommen und sich zu Hause fühlen.
Emily en Stef happily in love

Gebrochene Ketten

Ketikoti ist ursprünglich ein surinamischer Feiertag zur Feier der Abschaffung der Sklaverei. Der Name stammt aus der in Surinam gesprochenen Kreolsprache Sranantongo und bezieht sich auf die Fesseln der versklavten Menschen. Am 1. Juli feiern viele Niederländer*innen in Städten wie Rotterdam, Utrecht und Amsterdam die Freiheit mit einer fröhlichen Parade.

KetiKoti Amsterdam